Eine geschichtliche Ausstellung rührt an einem fundamentalen Grundrecht: „Ist das ein Mensch?“
Der Chemiker Primo Levi stellte die Frage „Ist das ein Mensch?“ in seiner Reflexion über die Zeit als KZ-Häftling in Auschwitz. Vertreter des Nationalsozialismus erhielten im Umgang mit kranken und behinderten Menschen als Antwort eine Option: Auf der Grundlage des Ermächtigungsschreibens Adolf Hitlers (datiert auf den 1. September 1939) an Reichsleiter Philipp Bouhler und Dr. med. Karl Brandt seien diese „unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann“ (Ermächtigungsgesetz). Der Option ließen zahlreiche Psychiater, Neurologen, Kinder- und weitere Fachärzte, Pflegekräfte Taten folgen: Bis zu 400.000 Menschen aus Heil- und Pflegeanstalten sowie Kliniken wurden zwangssterilisiert (6.000 starben an den Folgen dieses Eingriffes), mehr als 200.000 wurden getötet.
Besucher sowie Schulklassen der Wanderausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet. Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Kooperation mit den Stiftungen „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ und „Topographie des Terrors“ können sich auf Basis der Exponate und Erläuterungen mit der Frage auseinandersetzen, welche Rechte, Werte und Wichtigkeit Menschen hatten und haben, wie sich Gesetze, Gerichte, Grundrechte, Gläubigkeit auf Gesellschaften auswirken konnten und können.
Rund fünfzehn Studierende der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt haben sich unter Leitung der Professorin Dr. Tanja Henking mit dem Thema beschäftigt, Inhalte erarbeitet. Sie bieten im Rahmen eines Begleitprogramms insgesamt ca. sechzig Führungen für Schulklassen und Studierende an mit doppeltem Bezug: Zum einen zählt zu den Inhalten eines Sozialwissenschaften-Studiums die wissenschaftliche Beschäftigung mit gesellschaftlichem Zusammenleben von Menschen, zum anderen hat die Wanderausstellung einen direkten örtlichen Bezug zu Würzburg: Der Arzt und Direktor der damaligen Universitätsnervenklinik Würzburg war maßgeblich an den Morden beteiligt u.a. als alleiniger Obergutachter der zur Tötung ausgewählten Patienten und medizinischer Leiter der „Aktion-T4“. Im Strafprozess wurde er wegen gemeinschaftlich mit weiteren Tätern begangenen Mordes in mindestens 100.000 Fällen angeklagt.
Die Schüler und Studierenden weiterer Fakultäten, so die Studierenden, zeigten mehrheitlich ein großes Interesse an der Thematik, Lob käme darüber hinaus auch vonseiten der Lehrkräfte. Fragen kommen beispielsweise zum Aspekt der Gegenwehr und Geheimhaltung bezüglich der historischen angeordneten Tötungsmaßnahmen, die Frage nach den Positionen und Stellungnahmen seitens der Kirchen wurde gestellt. Interesse weckte zudem die Zeit nach 1945, inwieweit Opfer und deren Familien als Opfer anerkannt und entschädigt wurden (Entschädigung).
Die Wanderausstellung kann bis Freitag, 18. August, besichtigt werden im Lichthof der Würzburger Universität, Sanderring 2, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 10 bis 19 Uhr, Samstag 10 Uhr bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Weitere Informationen u.a. unter UK Würzburg Flyer