Titelbild mit Studierenden der Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt

Fachtagung: Generationen im Dialog

15.03.2023 | fas.fhws.de, Aktuelles

Die Begegnung zwischen den Generationen in der Stadtgesellschaft dort zu gestalten, wo die Menschen leben, verweist auf die Bedeutung der Stadtteilarbeit. Deshalb hat das Quartiersmanagement eine besondere Bedeutung für die Begegnung der Generationen, wie Dr. Hülya Düber, Sozialreferentin der Stadt Würzburg unterstrich. Dr. Hülya Düber begrüßte auf der Fachtagung Generationen im Dialog Gäste aus ganz Bayern, die sich mit den Chancen des intergenerationellen Lernens für die Stadtgesellschaft auseinandersetzten. Organisiert wurde die Tagung von Prof. Theresia Wintergerst (Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften THWS) zusammen mit der Seniorenvertretung Würzburg und der Akademie Frankenwarte.
Der renommierte Alternsforscher Prof. Andreas Kruse betonte in seinem Eröffnungsvortrag die Bedeutung der Generativität für ältere Menschen. Generativität bedeutet, nicht nur Verantwortung für die eigenen Belange zu übernehmen, sondern sich auch um die Belange hinaus für die kommenden Generationen. Von einem Engagement Älterer für andere, profitieren auch diese selber. Diese zeigen auch wissenschaftliche Untersuchungen. Er stellte unter anderem ein ehrenamtliches Projekt zur gesellschaftlichen Teilhabe von Geflüchteten vor. Im Rahmen eines Mentoringprogramms wurden Menschen mit Fluchterfahrung aus der Nachkriegszeit mit Geflüchteten unserer Tage zusammengebracht wurden. Es wurden sogenannte „Zwillinge“ gebildet, in denen Erfahrungswissen zu beiderseitigem Nutzen ausgetauscht wurde.
Die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Julia Franz erforscht systematisch die Möglichkeiten des intergenerationellen Lernens und wie man es organisieren kann. Sie betonte, dass es dafür generationensensible Fachkräfte braucht, denn es reiche nicht, Menschen unterschiedlicher Generationen in einen Raum zu stecken und sich davon einen konstruktiven Austausch auf Augenhöhe zu erwarten. Fachkräfte müssten feinfühlig Begegnungen arrangieren, in denen keine Generation die andere dominiert und in der die Scheu vor dem Kontakt überwunden werden könne. Dabei müsse man davon ausgehen, dass die Begegnung der Generationen häufig mit ambivalenten Gefühlen verbunden sei. Auch wenn besonders bei den Älteren grundsätzlich Interesse an den Jüngeren besteht, müsse mit unterschiedlichen Aufmerksamkeitsspannen und Zugangsweisen zu Themen gerechnet werden. Gerade Jugendliche möchten sich besonders oft in die eigene Peergruppe zurückziehen. Franz ordnete verschiedene Angebote der Erwachsenenbildung wie gemeinsames Kochen oder Medienvermittlungsangebote in die Breite Palette der Möglichkeiten der Generationenarbeit ein.
Hans Jürgen Hayer vertiefte in einem Workshop die verschiedenen Möglichkeiten des intergenerationellen Lernens und lud zu einem Erfahrungsaustausch ein. Monika Kraft vom Fachbereich Jugend und Familie breitete die Palette bestehender Begegnungsmöglichkeiten der Generationen in Würzburg aus und begeisterte damit die Teilnehmenden für die bereichernde Erfahrung der Begegnung der Generationen. Damit diese möglich wird, müssen die verschiedenen Institutionen wie Schulen, Kindertagesstätten, Senioreneinrichtungen, Bibliotheken zusammenwirken, um Begegnungsformate für verschiedene Generationen zu entwickeln.
Im Workshop „Konflikte und Störungen im öffentlichen Raum – Miteinander Lösungen entwickeln“, sensibilisierte Jennifer Gabel von „Miteinander leben und feiern- Allparteiliches Konfliktmanagement“ für einen konstruktiven Umgang mit Störungen im öffentlichen Raum. Viele junge Leute seien durchaus ansprechbar auf Störungen, die sich durch Feiern im öffentlichen Raum ergeben. Es müssten für Jugendliche, die nicht volljährig sind, Räume in der Stadt ermöglicht werden, in denen diese sich treffen können. Verbote seien das letzte Mittel, da es dadurch zu Effekten der Problemverschiebung komme. Sich im städtischen Raum rücksichtsvoll zu bewegen verlangt von allen Generationen, sich auch in die Perspektiven der jeweiligen anderen hineinzuversetzen.
Dr. Nils Bahlo von der Universität Münster referierte über das Phänomen der Jugendsprache. Dass dies kein neues Phänomen ist zeigte er mit einem Beispiel aus dem 18. Jahrhundert. Er verwies darauf, dass es schon 1910 ein Lexikon über „Pennälersprache“ gegeben habe. Prinzipiell lockere Jugendsprache durch die Lust am Sprachspiel und an der Expressivität, Sprache auf. Das grammatikalische Gerüst der Sprache bleibe dabei intakt. Neben dem Wunsch der Jugendlichen sich von Erwachsenen abzugrenzen unterstrich er die Bedeutung der Solidarität untereinander. Jugendliche wollten sich zugehörig fühlen und verwendeten entsprechende Sprache der jeweiligen Peergroup. Auch wenn diese in der Situation oft nicht darüber nachdächten, ob bestimmte Ausdrücke angemessen seien, könnten diese durchaus mit etwas Abstand darüber reflektieren, inwieweit Ausdruckweisen angemessen seien. Es sei auch die Aufgabe der Älteren nachzufragen, was mit bestimmten Ausdrucksweisen gemeint sei. Ziel sei die Sprachreflexion, in denen auch gesellschaftliche Normen mitverhandelt werden. Das Ziel der Sprachreflexion gelte aber nicht nur für Jugendliche.
Prof. Dieter Kulke präsentierte mit Studierenden Forschungsergebnisse aus dem Stadtteil Sanderau, die im Rahmen des Forschungsprojekts „Demografiefeste Kommune“ erhoben wurden. Er lud dazu ein, die älteren Bürgerinnen und Bürger in ihrem Wissen über die geschichtliche Entwicklung im Stadtteil ernst zu nehmen. Sie könnten dadurch viele Facetten aufzeigen und auch Studierende, die zunächst nicht identifiziert mit der Stadt sind, in der sie studieren, vieles eröffnen.
Ein weiterer Workshop nahm sich des heißen Eisens des Klimaschutzes an. Ist Engagement für Klimaschutz eine Frage der Generation? Das Problem, so die Arbeitsgruppe, seien weniger eine Generationenfrage als vielmehr das Festhalten an imperialen Lebensweisen, die auf umweltschädlichen und ungerechten Verhältnissen beharrten. Dieses Festhalten mache sich nicht an der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation fest.
Theresia Wintergerst betonte zum Schluss, dass es darum gehe Zutrauen zu schaffen, Begegnungsräume für unterschiedliche Generationen zu gestalten. Ziel der Tagung sei es, durch Anregungen und Know-how-Vermittlung dieses Zutrauen zu stärken und so die Chancen dieser bereichernden Erfahrung für die Stadtgesellschaft zu eröffnen.