Wohnungslos und psychisch krank
Auf Einladung des Caritasrates, dem Aufsichtsgremium des Caritasverbands für die Diözese Würzburg, präsentierte Sarah Bernhardt, Absolventin der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, am 8. Juli, ihr Konzept für die Etablierung einer Modell-Einrichtung für wohnsitz- und obdachlose Menschen in der Region Main-Rhön. Ausgangpunkt der Arbeit, die im Studiengang Soziale Arbeit bei Professorin Dr. Rebecca Löbmann und in enger Kooperation mit dem Caritas-Projekt „VIER Wände“ am Heimathof Simonshof entstand, ist die Situation obdachloser Männer und Frauen. Sie, so Bernhardt, sind oftmals durch psychische Erkrankungen belastet und erfahren gegenwärtig keine adäquate und nachhaltige Hilfe. „Diese Menschen werden hin- und hergeschoben zwischen den Systemen ‚Wohnsitzlosenhilfe‘ und ‚Psychiatrie‘“, so Bernhardt. Bernhardt spricht in diesem Zusammenhang vom Drehtüreffekt, der die Chronifizierung psychischer Krankheiten und prekärer Lebensverhältnisse befördere. Insgesamt gebe es außerdem zu wenige Einrichtungen für diese Menschen.
Der Ausweg könnte in der besseren Vernetzung aller Akteure und Einrichtungen im System sein und die Errichtung einer Anlaufstelle in der Region, die flexibel und angepasst an die Situation der Klientinnen und Klienten Aufnahme, Klärung und Therapie ermögliche. „Ich bin überzeugt, dass eine solche Einrichtung, ausgestattet mit multiprofessionellen Teams, am Ende sogar Kosten spart“, so Bernhardt. Die Planungsregion Main-Rhön könnte Modellcharakter haben. „Es geht darum, die Verfestigung von Wohnsitzlosigkeit und die Chronifizierung psychischer Erkrankungen zu verhindern bzw. zu durchbrechen.“
Als fundiert, interessant und auch für die Caritas weiterführend, bezeichnete Referent Bernhard Christof die Abschlussarbeit, die bereits an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt (FH-W-S) mit einem Preis bedacht worden war, und dankte für den verständlichen Fachvortrag. Wohnsitzlosigkeit sei eines der zentralen Themen im Verband und dessen Einrichtung Simonshof in Bastheim. Christof dankte für die gute Zusammenarbeit und den Austausch im Projekt „VIER Wände“. Der Fachmann für Gefährdetenhilfe erinnerte an das Diktum von Dr. Gerd Reifferscheid: „Wohnungslosenhilfe ist nicht die Hilfspsychiatrie und Psychiatrie ist nicht die Ersatz-Wohnungslosenhilfe.“ Die Idee einer besseren Verzahnung und das Konzept für eine bedarfsgerechte Einrichtung für Wohnungslose, die psychisch erkrankt seien, habe Sarah Bernhardt professionell erarbeitet. „Die größte Anerkennung sollte aber nicht in warmen Worten, sondern in der Umsetzung Ihres guten Konzeptes liegen.“
Mit Applaus dankte der Caritasrat für Vortrag und Laudatio. Blumen überreichte Domkapitular Clemens Bieber an die betreuende Professorin Dr. Rebecca Löbmann. Eine wichtige Masterarbeit, die die ihr gewährte Anerkennung wirklich verdient“, sagte Bieber und übergab an Sarah Bernhardt zusätzlich ein kleines Geschenk. „Behalten Sie die Caritas in guter Erinnerung.“
Sarah Bernhardt absolviert eine Weiterbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin am Klinikum Ansbach.
Autor: Sebastian Schoknecht